Wie man sich nicht für Antisemitismus entschuldigt

Einige Anregungen zur Auseinandersetzung mit Antisemitismus an das FemRef

Das autonome feministische Referat der Universität Oldenburg (FemRef) veröffentlichte am 21.03.2024 auf Instagram eine Stellungnahme, mit der sie sich für ihre Befürwortung und Verbreitung von antisemitischen Inhalten einer Gruppierung an der Uni Oldenburg, die sich für ein autonomes BIPoC-Referat einsetzt, entschuldigen wollten. Wir möchten unsere Kritik am Text des FemRef deutlich machen und ein paar Probleme und Fragen aufwerfen, die wir für eine tatsächliche Auseinandersetzung mit Antisemitismus in progressiven Kontexten für wichtig halten.

Ihr habt als FemRef eine Stellungnahme verfasst, in der ihr leider erneut offenbart, dass euch zentrale Einsichten über den Antisemitismus fehlen. Dass antisemitische Vorfälle seit dem 07.10. massiv zugenommen haben, räumt ihr lediglich in einem Satz ein, aber die antisemitischen Zustände an Unis oder hier in Oldenburg bekommen keinen weiteren Platz mehr in einem Statement, das als Entschuldigung für Antisemitismus verstanden werden soll. Wir haben im letzten halben Jahr kontinuierlich in Texten, auf Kundgebungen und durch Veranstaltungen über Antisemitismus und entsprechende Vorfälle, Mobilisierungen und Akteur*innen in Oldenburg aufgeklärt. An öffentlichen und leicht zugänglichen Informationen darüber mangelt es also nicht.

Ihr schreibt, ihr wollt euch mit Antisemitismus auseinandersetzen. Das ist gut, aber warum belasst ihr es dann bis zur weiteren Auseinandersetzung nicht dabei, einfach euren Fehler einzugestehen? So erweckt das Statement den Eindruck, dass es euch statt der Thematisierung von Antisemitismus wichtiger erschien, eure Sicht auf den Krieg in Gaza darzulegen. Euer Statement geht in der Konsequenz wieder in die selbe Richtung, von der ihr euch distanzieren wolltet: Ihr lasst zum Beispiel einfach aus, dass die Hamas durch den unfassbar grausamen Akt des Terrors gegen die israelische Bevölkerung, den sie am 07.10. beging sowie durch das Festhalten der Geiseln für das aktuelle Leid der palästinensischen Zivilist*innen verantwortlich ist. Warum tut ihr so, als wären diejenigen, die den antisemitischen Vernichtungswahn der Hamas kritisieren, blind für das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung? Dem ist nicht so, denn wer das Ende der Hamas fordert, spricht sich damit auch für die Teile der palästinensischen Zivilbevölkerung aus, die noch nicht ihrer Indoktrination zum Opfer gefallen sind. Wer jedoch den Terror der Hamas unterstützt, gleich auf welche Art, verdient dafür auch kein Verständnis.

Ob man Israel oder die Hamas für das Leid und Elend in der Region verantwortlich macht, ist keine Frage der Betroffenheit oder Perspektive, sondern hängt daran, ob man willens ist, eine antisemitische, islamistische Terrororganisation als das zu erkennen, was sie ist und in den Forderungen die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen. Die Hamas benennt ihr ja richtigerweise als Terrororganisation, aber in euren Forderungen nach Waffenstillstand an ALLE Parteien oder dem Verweis auf ein Recht auf Unabhängigkeit für die Palästinenser*innen spiegelt sich dieser Sachverhalt nicht wider. Wenn ihr so etwas fordert, könnt ihr dann auch beantworten, wie die israelische Bevölkerung in Sicherheit leben soll, wenn euer geforderter Waffenstillstand jederzeit durch die Hamas im Terror aufgekündigt werden und der 7.10. sich wiederholen kann? Wie genau soll die von euch geforderte palästinensische Unabhängigkeit aussehen, wenn diese aktuell sowohl in Gaza als auch in der Westbank durch antisemitische Terrororganisationen regiert werden? Und ist euch eigentlich bewusst, dass es bereits 1948 die Möglichkeit gegeben hätte, neben Israel auch einen Staat Palästina zu gründen, was aber damals von den arabischen Regimen und Anführern abgelehnt wurde?

In der angeblichen Ausgewogenheit, auf „beide Seiten“ zu schauen, unterschlagt ihr leider einiges.  

Denn „Multiperspektivität“ und Betroffenenperspektiven helfen nicht automatisch dabei, Antisemitismus zu erkennen, sondern können ihn schlimmstenfalls sogar befördern: Diese Perspektiven erklären nichts aus sich selbst heraus, sondern müssen eingeordnet und in Erklärungsansätze eingebettet werden. Dafür ist zentral, welchen Begriff man vom Antisemitismus und auch Rassismus hat, sonst müsste man beispielsweise auch antisemitischen Jüdinnen und Juden zuhören.

Antisemitismus lässt sich nicht in den Kategorien eines identitätspolitischen Antirassismus begreifen. Er ist keine bloße Diskriminierungsform und es schlägt auch fehl, seine Ursachen allein in „Antisemitismen“ zu sehen, die man in der Sozialisation „internalisiert“ hat. Es ist doch kein Zufall, dass ihr ein antisemitisches Statement der Gruppe, die sich für ein autonomes BIPoC Referat an der Uni Oldenburg einsetzt, geteilt habt und eben keines der AfD, in der es ebenfalls nicht an Antisemitismus mangelt.

Leider ist es kein Einzelfall, dass (queer-)feministische, antirassistische und andere progressive Gruppen Antisemitismus verbreiten: Unzählige Migrantifa und BIPoC-Gruppierungen beteiligen sich seit dem 07.10. massiv an antisemitischen Mobilisierungen, zahlreiche Feminist*innen schweigen zum Terror gegen israelische Frauen oder verharmlosen ihn sogar – am prominentesten die queerfeministische Ikone Judith Butler, die Beweise für die Vergewaltigung israelischer Frauen durch palästinensische Terroristen fordert, obwohl diese unbestreitbar vorliegen! Menschen, die auf Grund ihrer Geschlechtsidentität oder sexuellen Orientierung für die islamistische Hamas ein Feindbild darstellen, demonstrieren unter dem Schlagwort „Queers for Palestine“ zusammen mit IslamistInnen und blenden dabei die furchtbare Lage von LGBTIQ in den palästinensischen Gebieten aus. Das alles führt dazu, dass Jüdinnen und Juden immer wieder auf schmerzhafte Weise Ausschlüsse aus (queer-)feministischen, antirassistischen und progressiven Bewegungen erfahren. Wie wollt ihr euch erklären, dass all das keine Einzelfälle sind, ohne euch zu fragen, in welchem Zusammenhang das mit euren politischen Ansätzen steht?

Wenn es euch ernst ist mit der Selbstreflexion und ihr verhindern wollt, dass ihr wieder Antisemitismus verbreitet, müsstet ihr euch damit auseinandersetzen, wie diese konkrete Äußerungsform des Antisemitismus in euer politisches Denken gelangt ist. Ihr solltet euch fragen, warum Antisemitismus eigentlich im Konzept der „Intersektionalität“ in den meisten Fällen keine Rolle spielt und welche Folgen das hat. Ihr solltet euch anschauen, wo bestimmte antirassistische Ansätze wie „Critical Whiteness“ oder „Postkolonialismus“ antisemitische Deutungen beinhalten und warum das so ist. Wie wollt ihr sonst verhindern, dass der notwendige Kampf gegen Rassismus im Antisemitismus endet und damit seine emanzipatorische Intention ins Gegenteil verkehrt wird?

Und ihr solltet euch fragen, warum ihr die BIPoC-Gruppe für kompetent gehalten habt, etwas zum Thema Antisemitismus zu schreiben. Stellen für euch jegliche marginalisierten Perspektiven unabhängig von den geäußerten Inhalten bereits einen wertvollen Beitrag dar und wollt ihr diesen die alleinige Deutungsmacht überlassen, was rassistisch ist oder nicht? Dann lässt sich aber auch nicht mehr kritisieren, wenn aus solchen Perspektiven der Zionismus als rassistisch oder Israel als Apartheidstaat bezeichnet wird. Solche dämonisierenden Falschdarstellungen zielen darauf, jüdische nationale Selbstbestimmung grundsätzlich als unmoralisch zu delegitimieren und bestreiten das Existenzrecht Israels. Deshalb sind sie der IHRA-Definition zufolge Ausdruck von Antisemitismus – der sich in diesem Fall auf eine explizit antirassistische Art und Weise äußert.

Wir hoffen, dass ihr euch die Zeit nehmt, euch mit diesen Fragen ernsthaft auseinanderzusetzen, ansonsten bleibt die Befürchtung, dass eure Stellungnahme vielleicht gut gemeint war, aber zu nicht mehr als einem Lippenbekenntnis taugt.

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